Das Stück ist ein Sittenbild des ausgehenden Mittelalters, basierend auf den Aufzeichnungen des Paolo Santonino, dem weltlichen Begleiter des Bischofs Pietro von Caorle, der 1485 von Aquileia aus eine Reise in die von den Türken heimgesuchten Gebiete des Gail- und Drautales unternimmt, um die verwüsteten Kirchen neu zu weihen, Firmungen zu erteilen und die Geistlichkeit zu visitieren. Santonino hat in seinem Reisetagebuch allerlei über Sitten, Kleidung, Essen, einzelne Persönlichkeiten und kulturelle Eigenheiten festgehalten.
PAOLO SANTONINO
INHALT
Der erste Aufzug spielt am Hof des Görzer Grafen Leonhard in Lienz. Die junge, kränkelnde Gräfin Paola aus dem Hause Gonzaga zu Mantua zieht sich für den Empfang des Bischofs an und klagt dabei ihrer Zofe, dass sie, von der Mutter verschachert und in der kulturellen Öde der Dolomitenstadt halb erstickt, im goldenen Käfig der höfischen Manieren zugrunde gehen wird, denn ihr Mann, Graf Leonhard, ist ein grober Geselle, der es auch mit anderen Frauen treibt.
Der zweite Aufzug zeigt den Empfang des Bischofs in Kötschach. Der Bischof stellt in seiner Ansprache den Türkeneinfall als verdiente Strafe Gottes für die Lauheit und Sündhaftigkeit der Bevölkerung dar. Ein Narr kommentiert die Predigt aus der Sicht der Unterschichten.
Der dritte Aufzug zeigt eine Visitation im Vikariat von St. Daniel. Der Vikar, ein volksnaher Geistlicher, gerät in eine Auseinandersetzung mit dem Bischof. Da dringt ein Fuhrmann mit seiner 16-jährigen Tochter in den Besprechungsraum ein und bittet den Bischof um Hilfe: Der Graf hat die Tochter geschwängert. Der Bischof rät, sich ja nicht mit dem Grafen anzulegen, sondern auf eine höhere Gerechtigtkeit zu hoffen.
Im vierten Aufzug lamentiert der Burgherr Vend über den Niedergang der (ritterlichen) Kultur und die Verderbnis der neuen Literatur (Dante). Anschließend bedient seine junge Frau Santonino im Bade. Er erzählt ihr von der enthemmten Lebensart in den südlichen Städten. Sie beschließen ein nächtliches Stelldichein. Im fünften Aufzug verabschieden sich Bischof und Santonino im Zuge eines Rittermahls. Der Fuhrknecht dringt in den Saal ein und will den Grafen öffentlich anklagen. Man entfernt ihn, bevor er reden kann. Die Wache berichtet, dass er über eine Stiege hinab gestolpert sei. Tot. Er wird als Rebell und Gefahr für die Ordnung betrachtet. Man lässt sich das Fest nicht verderben. Barbara bekommt einen Migräneanfall. Sie will von niemandem gestört werden.
Das Stück endet in einem wüsten Durcheinander, dem Scherbenhaufen der ritterlichen Welt. Santonino kommt aus der Kemenate der Burgherrin und fragt das Publikum, ob es noch einen Sinn hat, diese Ordnung zu stützen.
DER AUTOR
ENGELBERT OBERNOSTERER
Engelbert Obernosterer, 1936 als Bergbauernkind im Lesachtal geboren, studierte nach der Matura am humanistischen Gymnasium in Tanzenberg und Klagenfurt, später Germanistik und Geschichte an der Universität Wien. Seit 1965 ist er als Lehrer an verschiedenen Schulen des Gailtals, von 1975 bis 1997 als Kunsterzieher und Deutschlehrer am Gymnasium Hermagor tätig. Der Lehrerberuf sichert ihm das Einkommen für seine siebenköpfige Familie und befreit ihn vom Erwerbszwang bei seinem literarischen Schaffen.
Für seine erste Veröffentlichung „Ortsbestimmung“ erhält Obernosterer den Förderungspreis des Landes Kärnten für Literatur. Bis 2003 folgen acht weitere Bücher, u. a. „Der senkrechte Kilometer (Studien zum Landleben)“. Die Satire „Vom Ende der Steinhocker“ und „Grün“ - eine Verstrickung erschienen im Verlag Sisyphus, Klagenfurt. In „Die Mäher und die Grasausreißer - eine Bilanz“ reflektiert der Autor seine Erfahrungen im jahrzehntelangen Schulbetrieb. Das Buch wurde ebenso wie die Veröffentlichung „Bodenproben“ im Verlag kitab herausgebracht.
Obernosterers Schaffen ist weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Preise, wie 1980 der Georg-Rendl-Literaturpreis der Arbeiterkammer Salzburg, 1991 der Literaturpreis der Kärntner Arbeiterkammer und 1992 der Theodor-Körner-Förderungspreis, wurden ihm zuteil. Anfang 2003 begann E. Obernosterer an seinem ersten Dramentext zum Bühnenstück „Paolo Santonino“ zu arbeiten.
Seither sind weitere 13 Bände mit vorwiegend kurzen Texten, betreffend Analysen und Beobachtungen an sich und seiner Umgebung, erschienen.
Neu: Im Herbst soll die Miniaturensammlung „Wolke mit Henkel“ im Wieser Verlag herauskommen.
DER REGISSEUR
WERNER WÖLBITSCH
Werner Wölbitsch, 1960 als Bergbauernkind im Jauntal geboren, studierte nach der Matura am Bundesrealgymnasium in Völkermarkt Selbständige Religionspädagogik an der Universität Graz. Von 1979 bis 1996 ist er als Religionslehrer an verschiedenen Schulen und in der Religionslehrerausbildung in Kärnten aktiv. Nach dem Entzug der „Missio Canonica“ arbeitet er als Informatiklehrer und gründet 1999 seine Firma. Seit 1995 gehört er der Theatergruppe Joker Hermagor an und führte diese 18 Jahre lang als Obmann.